Die Lichtbänder
Das erste, rechte Fenster zeigt in der unteren Hälfte einen Fischzug, bei dem drei Jünger ihre Netze aus dem Wasser ziehen. In der oberen Bildhälfte wird der „lehrende“ Christus gezeigt, der vor einer am Boden knieenden Hörerschaft die Bergpredigt verkündet. Mathias Conrad deutet die Szene als „einladenden Christus“, der die Gemeinde „mit offenen Armen … beim Eintreten in die Kirche [empfängt], um zur Mitfeier der Eucharistie einzuladen.“ Über der Szene ist die mit gelborangen Kuppeln versehene Stadt Jerusalem zu sehen, in die Christus einziehen wird.
Mit der Szene des Einzugs in Jerusalem beginnt die Erzählung des zweiten Fensters am unteren Ende. Christus reitet auf einem Esel, vor dem Mäntel ausgebreitet werden. Zahlreiche Menschen begleiten die Szene, darunter der Zöllner Zacharias im Baum. Die Kuppeln der Stadt erstrahlen nun nicht mehr in goldenen Sonnenfarben, sondern sind in verhaltenen Farben im Hintergrund zu sehen. In der oberen Hälfte dieses Fensters erscheint die Abendmahlszene: Die Jünger sitzen um einen langen Tisch, an dessen oberen Kopfende Christus mit Johannes an seiner Brust seinen Platz einnimmt. Die zahlreichen angedeuteten Figuren darüber könnten die Christen symbolisieren, die mit der Feier der Eucharistie am Abendmahl teilnehmen.
Die Fußwaschung im dritten Fenster markiert die nächste Station der Passion. Sie findet in einem Innenraum statt, dessen mit Fenstern versehene Außenwand einen großen Bogen beschreibt. Der Bogen tritt erneut in der oberen Ölbergszene in Erscheinung, dort allerdings als Zaun, der die herannahenden Soldaten von dem Garten Gethsemane trennt. Im Garten befinden sich die teilweise schlafenden Jünger und der übergroß dargestellte betende Christus, der von einem goldenen Engel in tiefblauer Nacht den Kelch gereicht bekommt.
Die Passionsgeschichte gipfelt in der großen Kreuzigungsszene des vierten Fensters: Christus hängt mit ausgebreiteten Armen am Kreuz, begleitet von trauernden Menschen auf Erden und schwebenden Engeln im Himmel, die die Sonne verdunkeln. Der gestorbene Christus steht im Kontrast zum Guten Hirten, der in der unteren Bildhälfte seine Schafe hütet und sie zum frischen Wasser führt.
Während Christus am unteren Ende des fünften Fensters schließlich das Böse in der Vorhölle bekämpft, verkündet der Engel am leeren Grab, dass Christus wieder auferstanden ist. Darüber erscheint Christus mit Hirtenstab den drei Marien, die ihn zunächst nicht erkennen wollen. Die Reihe endet mit der großformatigen Pfingstwunderszene am oberen Ende, bei der die Jünger und Maria vom Heiligen Geist erleuchtet werden, dargestellt durch die züngelnden Flammen über den Häuptern.
Im Erdgeschoss des Glockenturms befindet sich die Taufkapelle, die sich zum Kircheninnenraum hin öffnet. An ihrer östlichen Außenwand besitzt sie ein kreisrundes, im Durchmesser 2 m messendes Bleiglasfenster. Das Rundfenster zeigt sechs Szenen aus dem Marienleben, die sich an die Feldunterteilung des Okulus durch eine horizontale und zwei vertikale Armierungseisen anlehnen. Die Bildszenen greifen jedoch über die Einzelfelder hinaus, wodurch die Erzählungen stark miteinander verklammert sind.
Die Reihe der Marienszenen beginnt rechts oben mit der Verkündigung an Maria durch den Erzengel Gabriel, wobei Maria in sitzender Position ein Buch im Schoß hält. Darunter befindet sich die Begegnung Marias mit Elisabeth (Heimsuchung) und die Geburt Christi mit dem Jesusknaben in der Krippe, darüber Ochs und Esel, umgeben von einem anbetenden Hirten und den drei Weisen aus dem Morgenland, die ihre Gaben bringen. Auffällig ist, dass Josef in dieser Szene nicht vorkommt, wodurch der Schwerpunkt der Darstellung von der Heiligen Familie auf Maria als Muttergottes verlagert wird. Am linken unteren Bildrand wird die Hochzeit zu Kana gezeigt. Maria steht vor dem kreuznimbierten Christus, der auf die vor ihm stehenden Krüge zeigt. Die im Bild vertikal angelegte Hochzeitstafel mit den Gästen reicht bis in das nächste Feld hinauf. Dort wird daneben die Kreuzigung Christi angedeutet, wobei der Schwerpunkt hier auf den beiden trauernden Figuren Maria und Johannes liegt, die ganzfigurig gezeigt werden. Vom Gekreuzigten selbst sind hingegen lediglich die unteren Beine am Kreuzesstamm zu sehen. Als letzte und zentrale Szene der Fensterrose wir die Krönung Mariens gezeigt, die von zwei aus dem Himmel ragenden Händen die Krone der Himmelskönigin aufgesetzt bekommt.
Der Entwurf des Fensters geht ebenfalls auf Wolfgang Mahlke zurück, der auch für das Rundfenster mundgeblasenes Echtantikglas wählte. Anders als in den Glaswänden des Kirchenraumes wurde das Glas hier in traditioneller Weise mit einer leichten Konturmalerei aus Schwarz- bzw. Braunlot versehen, die vornehmlich der Zeichnung von Gesichtern, Händen, Füßen und Gewändern dient.
Der Künstler
Wolfgang Mahlke, 1923 in Berlin geboren, absolvierte nach seiner Heimkehr aus russischer Kriegsgefangenschaft zunächst eine Handwerkslehre, bevor er von 1949 bis 1953 an der Akademie der Bildenden Künste in München studierte. Danach unterrichtete er an der Oberrealschule Uetzt Kepler-Gymnasium) in Weiden. Von 1960 an bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1988 war er an der Universität Würzburg als Hochschullehrer in der Ausbildung von Lehrern für Grund-, Haupt- und Sonderschulen tätig. Darüber hinaus wirkte er in zahlreichen Arbeitsgemeinschaften und Fachgremien mit und verfasste eine Reihe von Büchern und Aufsätzen zu kunst-, werk- und heilpädagogischen Themen sowie zur Raumgestaltung in sozialpädagogischen Einrichtungen. Neben seiner Lehrtätigkeit entfaltete Wolfgang Mahlke ein reiches künstlerisches Schaffen. Für Kirchen, Schulen, Kindergärten, Heime, öffentliche Gebäude und private Auftraggeber entwarf er Sgraffiti, Mosaiken, Bleiglasfenster, Wandkeramiken, Marterl usw. und hat damit vor allem in der nördlichen Oberpfalz seine Spuren hinterlassen. Auch als Buchillustrator hat sich Wolfgang Mahlke einen Namen gemacht.
Die Glasfassade
Die fünf ca. 9,10 m hohen und ca. 7,10 breiten Glaswände auf der Ostseite des Kirchensaales werden durch tiefe Pfeiler voneinander getrennt, dabei rücken die Glaswände zur Chorwand hin jeweils um ca. 1 m zum Kircheninneren ein. Jede Glaswand wird wiederum durch verschieden große rechteckige, bisweilen quadratische Betonrahmen gegliedert, deren lichte Öffnungen Maße von 42 x 42 cm bis 101 x 159 cm Größe aufweisen. Dadurch ergeben sich je Fensterwand zwischen 64 und 75 Rechteckfelder, die die einzelnen Felder der Bleiverglasungen enthalten.
Alle fünf Fenster werden durch das Betonraster zunächst in drei gleich große, vertikale Segmente unterteilt, darüber hinaus sind die weiteren Gliederungen der Wände jeweils individuell gestaltet und entsprechen einander nicht. Ob diese Unterteilungen der fünf großen Fensterflächen dem Künstler vorgegeben waren oder ob Mahlke Einfluss auf die Aufteilung nehmen durfte, ist nicht bekannt. Mahlke versah die mittleren der drei vertikalen Segmente einer jeden Fensterwand mit einer stark farbigen Verglasung, die verschiedene Themen aus dem Leben und der Passion Jesu zum Inhalt hat. Die Reihenfolge beginnt mit dem rechten Fenster und schreitet in Richtung Altarraum fort.
Eingerahmt werden die mittleren, stark farbigen figuralen Bereiche der fünf Glaswände durch jeweils zwei flankierende helle, nahezu farblose Verglasungen. Diese bestehen vornehmlich aus unterschiedlich getönten, rechteckig zugeschnittenen Gläsern. Darin eingestreut befinden sich rechteckige Bildfelder mit symbolischen Darstellungen, darunter Blatt-, Vogel- und Kerzendarstellungen oder christliche Symbole wie Dornenkrone, Pelikan oder Fisch und Brote.
Die Technik
Als Material für die Ausgestaltung der Glaswände wähle Mahlke mundgeblasenes Echtantikglas, das mit seiner bewegten Oberflächenstruktur aus Bläschen und Schlieren und der großen Palette an Farbtönen besticht. Die Gläser weisen keinerlei Bemalung auf, sieht man von den fünf Stifterinschriften in den jeweils rechten unteren Ecken ab. Vielmehr wird die Zeichnung der Darstellungen in den Glaswänden allein durch die Führung der Bleiruten gebildet, die sich an die Konturen der Gläser anschmiegen. Mahlke wusste dieses Gestaltungsmittel gekonnt einzusetzen: Durch den Zuschnitt zahlreicher, teils sehr kleiner Gläser konnte er auch kleinste Details wie beispielsweise die Pupillen der Augen zur Darstellung bringen, gleichzeitig vermehrte er damit die Umrissformen und Linienführungen, die er durch die Verwendung unterschiedlich breiter Bleiruten auch hierarchisieren konnte. So wurde die Binnenzeichnung von einzelnen Motiven durch sehr schmale, nur 6 mm breite Bleiruten gestaltet, während die Außenkonturen der Figuren und Gegenstände bis zu 16 mm breite Bleiruten aufweisen. Mahlke scheute sich dabei auch nicht vor komplizierten Glasformen und stark kurvigen Linien, bei denen die Schenkel der sehr breiten H-förmigen Bleiruten mitunter eingeschnitten werden mussten, um die Kurvatur abbilden zu können.
Quellen: Conrad, Matthias, Zeitgenössische Glaskunst in der katholischen Kirche St. Michael in Poppenricht in: Heimatkundlicher Kreis Amberg-Sulzbach im Historischen Verein für Oberpfalz und Regensburg (Hg.), Der Eisengau, Bd. 14, 2000, 78ff.. Conrad, Matthias, Das Weltgericht an der kath. Kirche Poppenricht in: Heimatkundlicher Kreis Amberg-Sulzbach im Historischen Verein für Oberpfalz und Regensburg (Hg.), Der Eisengau, Bd. 40, 73ff. Mit freundlicher Genehmigung des Autors. Burger, Michael, Schumacher, Claudia, Die Verglasung der katholischen Pfarrkirche St. Michael in Poppenricht. Gutachterliche Stellungnahme zu Bestand und Zustand der Verglasung und Empfehlungen für eine Sanierung der Fenster, Koblenz 2021.